Am 19.05.2006 hat der Wissenschaftsrat sein (vernichtendes) Gutachten über das Bundesamt für Strahlenschutz veröffentlicht: Auszüge aus http://wissenschaftsrat.de/texte/7259-06.pdf
Info: Frau Dr. Angelika Schrodt



Seite 8 .. Dem selbst gesetzten Anspruch eines neutralen Informationsvermittlers gegenüber der Bevölkerung in allen wissenschaftlich-technischen Fragen des Strahlenschutzes und der Kernenergie wird das BfS aufgrund der fehlenden wissenschaftlichen Basierung insgesamt nicht gerecht. Dies kann dazu führen, dass wissenschaftliche Forschungsergebnisse selektiv rezipiert und verwendet werden. Diese Defizite bei der Sicherung der wissenschaftlichen Qualität fallen innerhalb des BfS unterschiedlich aus. Die Fachbereiche "Strahlenschutz und Gesundheit" und mit einigem Abstand "Strahlenschutz und Umwelt" sind erkennbar um wissenschaftliche Qualität sowie eine entsprechende Vernetzung mit der scientific community bemüht. Die Tätigkeiten in den Fachbereichen "Sicherheit in der Kerntechnik" sowie "Sicherheit nuklearer Entsorgung" entsprechen demgegenüber nicht dem internationalen Stand von Wissenschaft und Technik. Beiden Fachbereichen gelingt es insgesamt nicht, mit eigener wissenschaftlicher Expertise hoheitliche Aufgaben und wissenschaftliche Dienstleistungen gemäß dem Stand von Wissenschaft und Technik wahrzunehmen sowie externe Forschungsprojekte kompetent zu begleiten.



Seite 9 ..Die geringe nationale wie internationale Attraktivität des BfS als Forschungskooperationspartner zeigt sich auch in einem auffallend geringen Drittmittelanteil. Das BfS verkennt die Bedeutung der Drittmitteleinwerbung für die Vernetzung mit Forschungseinrichtungen sowie zur Gewinnung von wissenschaftlichem Nachwuchs. Es ist zu befürchten, dass die geringe Bedeutung des BfS in den jeweiligen Fachkreisen mittelfristig auch Auswirkungen auf die wissenschaftliche Vertretung der Bundesregierung in den einschlägigen internationalen Gremien und Organisationen haben wird.



Seiten 66-67 ..Hinsichtlich der extramuralen Forschungsvorhaben kommt dem von der AG "Nicht ionisierende Strahlung" betreuten Deutschen Mobilfunkforschungsprojekt innerhalb des Fachbereichs eine besondere Bedeutung zu. Hierbei handelt es sich um ein ambitioniertes, interdisziplinär angelegtes Forschungsprojekt, das hälftig von Mobilfunkunternehmen und dem BMU finanziert wird und Industrie, Interessengruppen und externe Experten durch Fachtagungen und themenspezifische Fachgespräche integriert. Ziel der extramural vergebenen Vorhaben ist die Bewertung des gesundheitlichen Risikos durch nicht ionisierende Strahlung, mit der das BfS ein international zentrales Thema untersuchen lässt.

Demgegenüber muss im Bereich „UV-Strahlenbelastung“ der Stand von Wissenschaft und Technik zukünftig stärker als bisher beachtet werden. Die schon länger zurückliegenden Arbeiten zur UV-Belastung sind noch ausbaufähig und könnten im Rahmen der Eigenforschung oder der Teilnahme an internationalen Forschungsprogrammen über das derzeit betriebene Monitoring hinaus zur Wirkungsforschung beitragen. Das wissenschaftliche Personal des Fachbereichs stellt insgesamt sicher, dass die Bestimmungen von Strahlengrenzwerten auf Grundlage einer wissenschaftlich haltbaren Nutzen-Risiken-Abwägung erfolgen.

Problematisch sind dagegen der teilweise massive Personalmangel in einigen Abteilungen sowie die fehlenden Freiräume für das wissenschaftliche Personal, um unabhängig von Routineaufgaben sich wissenschaftlichen Tätigkeiten, wie Veröffentlichung von Arbeitsergebnissen, zu widmen.




Eine Behörde im Spagat zwischen Wissenschaft und Politik – Podiumsdiskussion beim BfS in Salzgitter

Quelle: http://bfs.de/


Nach einem einjährigen intensiven Diskussionsprozess verabschiedete das BfS sein Leitbild (im Internet unter bfs.de). Eines der zentralen Themen in diesem Prozess war das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BfS sehen ihr Amt als wissenschaftliche selbständige Behörde. Der Wunsch nach Freiheit von Wissenschaft und Forschung, unabhängig von politischen Maßgaben, liegt daher nahe.

Mit seiner Einladung zu einer Podiumsdiskussion im Dienstgebäude Salzgitter zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik griff Präsident Wolfram König das Thema auf. Auf dem Podium saßen die Parlamentarische Staatssekretärin Simone Probst (BMU), Hartmut Bäumer (Unternehmensberater und ehem. Regierungspräsident Gießen), Dr. Günther Dietze (SSK-Vorsitzender), Dr. Wolfgang Hawickhorst (Geschäftsführer der GNS) und Michael Sailer (RSK-Vorsitzender). Moderiert wurde die Diskussion von Dr. Stephan Otto, der bereits den Leitbildprozess des BfS begleitet hatte. Nach den Eingangsstatements entwickelte sich eine lebhafte Diskussion zwischen den Podiumsteilnehmern.

Kontrovers diskutiert wurde u.a.,

bis zu welchem Maße Politik auf wissenschaftliche Ergebnisse Einfluss nehmen sollte. Einvernehmen bestand darin, dass sich die Freiheit von Wissenschaft und Forschung in einer Universität nicht auf eine Behörde übertragen lässt, weil sich die Randbedingungen in der öffentlichen Verwaltung sowie die jeweiligen Aufgaben einer Behörde signifikant vom Universitätsbetrieb unterscheiden.

Das Primat der Politik fordert von der Verwaltung zu Recht Loyalität, die eigenverantwortliches Verhalten der Bediensteten nicht aus- sondern einschließt. Ohne diese Loyalität der Verwaltung könnte zum einen kein demokratisch legitimierter

politischer Wille Form werden, zum anderen ist die Verwaltung originärer Bestandteil der institutionellen Dimension von Politik.

Wissenschaft und Forschung in einer Behörde wie dem BfS bedarf der Politik, um wirksam zu werden. Würde sie sich von der Politik lösen, würde sie über kurz oder lang in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.

Ein Kernpunkt der Diskussion drehte sich um die Frage wissenschaftlicher Unsicherheiten. Wissenschaft schaffe Fakten, mit denen sich die Politik auseinandersetzen müsse. Dabei müsse die Politik auch Fragen beantworten, auf die die Wissenschaft noch keine Antworten geben könne, sagte Simone Probst. Michael Sailer stellte die Frage, ob die Wissenschaft zumindest die Fragen ausreichend benenne. Günther Dietze betonte dazu, es gebe selten Konsens in der Wissenschaft. Wolfgang Hawickhorst konstatierte, dass Politik handeln müsse und sich nicht zurückziehen dürfe. Hartmut Bäumer bescheinigte dem BfS eine besonders schwierige Ausgangslage nach dem
Regierungswechsel 1998. Ähnlich wie in der Industrie seien die Zwänge in der Exekutive am größten. Dem Demokratieprinzip könne sich eine Behörde aber nicht entziehen.

Die rege Beteiligung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des BfS an der Diskussion zeigte, dass dieses Thema für das Selbstverständnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BfS weiterhin aktuell ist. Sie ist wiederum ein gelungenes Beispiel dafür, wie eine moderne Behörde offen und kritisch die eigene Rolle und die Auswirkungen ihres Handelns im Rahmen ihrer gesellschaflichen Verantwortung kontinuierlich hinterfragt. Insgesamt war die Veranstaltung auch ein Indikator für das Entstehen einer neuen Diskussionskultur am BfS, welche nicht zuletzt durch den Leitbildprozess initiiert wurde.

Dirk Daiber
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit


Kommentar: weder Wissenschaft noch Presse sind in Deutschland noch frei. Niemand muss sich jetzt noch wundern, warum kritische wissenschaftliche Studien in den Papierkörben der Nachrichtenagenturen verschwinden, falls sie bis dorthin gelangen.



siehe auch: Stellungnahme des BfS zur "Naila-Mobilfunkstudie" | Täuschungsmanöver | Die Haltung des BfS u SSK | Keine Satire, Empfehlung der SSK | Neue Korruptionsaffäre im Bundesamt für Strahlenschutz